Interview: Broilers

...über Leidenschaft, Vinyl und The Clash
Die Broilers, Sammy Amara (seit 1992) Gitarre Ronald „Ron“ Hübner (seit 2001) Schlagzeug Andreas „Andi“ Brügge (seit 1992) E-Bass Ines Maybaum (seit 1995) Keyboards, Piano, Orgel Christian „Chris“ Kubczak, Noir Tour Freiburg, Rothaus Arena, Zäpfle Club

Seit nun fast 20 Jahren touren die Broilers durch unsere Lande. Die Band aus Düsseldorf formierte sich 1992 um Sänger Samy Amara und Schlagzeuger Andi Brügge. Mittlerweile umfasst das Repertoire der Band eine höchst ansehnliche Anzahl an Songs. Gebündelt auf sechs Studioalben, mehr als zehn Singles, einem Live Album, einer Live DVD und, und, und. Konstant sind dabei drei Dinge geblieben: Die „Mach’s selbst“-Mentalität, musiktechnisch gibt es mal was auf die Mütze, mal muss genau zugehört werden und auf der Bühne geht es ab wie eh und je! Also, auf die nächsten 20! Prost!

Ihr tourt derzeit mit eurem neuen Album durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Es heißt „Noir“. Durch die Verwendung der Lettern „oi“ wohl nicht nur eine Anlehnung an euren Bandnamen, sondern, die Tracks des Albums im Hinterkopf, wohl auch ein Stückweit Gesellschaftskritik, oder?
Wenn wir eine Platte planen, überlegen wir uns eigentlich immer schon recht früh einen Titel, noch bevor die ersten Lieder überhaupt geschrieben wurden. Der Arbeitstitel ist dann schon meistens recht nah an dem endgültigen Namen oder – wie in diesem Fall – identisch. Der Titel soll in sich schon eine Aussagekraft oder etwas Geheimnisvolles haben und auch ein Stück weit die Atmosphäre des Albums umschreiben. Das war mit „Lofi“, „Vanitas“ oder auch „Santa Muerte“ genauso. Also nein, das „Oi“ ist keine Anlehnung an die Musikrichtung oder den Bandnamen.

Mal ein kurzer Blick in die Vergangenheit. Wie war das zu den Zeiten, als ihr begonnen habt Skin und Punk Musik zu hören und später dann zu produzieren? Wie konntet ihr euch von dem braunen Pack abgrenzen? Gab es für die Broilers auch mal Probleme, was die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit anbelangt?
Dadurch, dass wir unsere Wurzeln im Punk und in der traditionellen Skinhead Bewegung sehen, die ausdrücklich anti-rassistisch ist, haben wir uns schon von daher von der braunen Masse abgegrenzt. Dennoch war es uns auch immer wieder wichtig, uns aktiv gegen Nazis zu positionieren, was wir dann durch Songs wie „An all den Schmutz“ schon frühzeitig gemacht haben. Mit Faschos hatten wir auch oft Ärger. Das bleibt nicht aus, wenn man sich gegen diese stellt.

Welche Bands haben euch damals geprägt, woher kam die Begeisterung für die Musik der Oi! Skin- und Punk Szene? Welche Bands hört ihr heute noch gerne und nehmt ggf. Inspirationen für das eigene Tun mit ins Studio?
Mit einer Band wie Die Toten Hosen vor der Haustüre ließen sich allen voran Sammy und Andi von der Musik infizieren. Sie hörten die Hosen, kauften sich deren Cover-Album „Learning English“ und begannen, sich die Musik der auf der Platte gecoverten Bands wie The Clash oder The Sex Pistols nachzukaufen. Der Rest geschieht dann sukzessive. Ich (Ines) hab mich eigentlich schon immer für Musik interessiert, auch bevor ich Punk kennenlernte. Irgendwann kam bei mir Ton Steine Scherben dazu und was es im deutschsprachigen Punk so gab. Letztlich dient die Musik ja auch dazu, die eigene Stimmung als Lied zu verpacken. Daher ist das immer eine Sache der eigenen Entwicklung. Aber wenn ich Broilers „global“ spreche, dann glitzern uns allen bei The Clash die Ohren. Das ist wohl noch bis heute die Band mit dem größten Einfluss für uns. Wenn wir mal beim Songwriting nicht weiter wissen, fragen wir uns immer: What would The Clash do?

Von „Fackeln im Sturm“ (1997) bis „Noir“ (2014); auf jedem Album finden sich Konstanten, die die Musik der Broilers zu der Musik der Broilers machen. Nichtsdestotrotz bekommt der Hörer das Gefühl, dass sich die Broilers und ihre Musik in einem steten Entwicklungsprozess befinden. Wie würdet ihr den Wandel selbst beschreiben, den eure Musik und Band in den letzten 20 Jahren durchlaufen hat?
Man entwickelt sich ja als Mensch ganz normal weiter. Es gibt andere Dinge, die einen bewegen, die einem Sorgen bereiten und, und, und. Wie ich bereits sagte, spiegelt ja auch die Musik die eigene Stimmung wider. Daher kommt es dann natürlich auch, dass jeder von uns unterschiedliche Einflüsse in unsere Musik einbringt. Das ist, denke ich, ein natürlicher Prozess, den man selbst gar nicht so sehr realisiert.

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Zum Thema 33 RPM: Nicht nur einer eurer erfolgreichsten Songs, sondern tatsächlich gibt es ja „Santa Muerte“, den Vorgänger „Vanitas“ und auch einige Singles in Vinyl gepresst zu erwerben. Sind die Beweggründe für eine solche Veröffentlichung eher romantischer Art, gehört das einfach zu einer ausgeklügelten Marketing-Strategie oder klingen die großen Scheiben eben doch einfach besser?
Ist es romantisch eine Vinyl herauszubringen? Wir sind zum Teil selbst große Vinyl-Liebhaber und Sammler. Es gibt ja zum Glück auch noch viele Vinyl-Liebhaber da draußen, die Musik nicht nur als digitales Konsumgut oder Diebesgut ansehen, sondern die in der Musik einen Charakter sehen, der sich oft für sie in einem entsprechenden Format in passender Weise entfalten kann. Warum sollte der Vinyl-Liebhaber also nicht die Chance bekommen, uns auf Platte zu hören? Ich muss aber zugeben, dass ich lieber CDs oder Kassetten höre und sammle. Dabei fällt mir auf, dass die Broilers Releases nie auf Kassette, aber sonst in jedem Format veröffentlicht worden sind.

„Santa Muerte“ hat im Frühjahr 2014 Gold Status erreicht. Wann habt ihr realisiert, dass das Album durch die Decke geht und was ändert es, wenn man sich als professioneller Musiker eine solche Scheibe ins Wohnzimmer, ins Studio oder den Proberaum hängen kann?
Schon in den ersten Wochen nach VÖ haben wir gemerkt, dass „Santa Muerte“ für unsere Verhältnisse extrem erfolgreich war. Wir haben ja nach der ersten Woche die Info erhalten, dass wir auf Platz 3 der deutschen Charts eingestiegen waren. Damals waren Lady Gaga und irgendein DSDS Gewinner vor uns. Wir haben damals jedenfalls gut gefeiert. Als die Gold-Nachricht kam, hat uns das auch sehr gefreut. Wir sind so dankbar, dass wir das machen dürfen, dass wir damit unser Brot verdienen können. Wir können uns so noch mehr um die Band kümmern und man ist nach einem 10-Stunden-Tag im Büro nicht total im Eimer bei einer Probe.
So eine Gold-Platte im eigenen Heim macht einen dann stolz und dankbar. Wir versuchen heute vielleicht noch mehr als zu einer Zeit, als das alles noch nicht greifbar war, live unsere Dankbarkeit zu zeigen. Uns als Menschen ändert eine solche Platte dagegen nicht.

Mittlerweile müsst ihr nicht mehr in kleinen Clubs spielen, sondern euch werden die Tore zu den großen Hallen der Städte geöffnet, in denen ihr Station macht. Nächstes Jahr geht’s unter anderem (mal wieder) zum Rock am Ring, dieses Jahr wart ihr beim Rock'n'Heim… herrscht bei solch riesigen Gigs besonders große Aufregung, oder sind es die kleinen Shows, mit Bierdusche aus dem Innenraum, die besonders prickelnd sind?
Ich muss gestehen, ich bin vor jedem Konzert ein wenig nervös. Ob auf einem Wohnzimmerkonzert oder eben bei Rock am Ring. Das löst sich aber recht schnell, wenn ich dann auf der Bühne endlich meine Saiten anschlagen kann.
Wir gehen immer mit gleich viel Spaß, Leidenschaft und Seele auf die Bühne und versuchen, eine gute Zeit zu haben. Ich (Ines) bin jedenfalls froh, dass wir immer wieder so kleine, kompakte Gigs einstreuen können, finde es aber z.B. auch toll, auf der großen Bühne Gas zu geben und ohne Angst vor Stolperfallen tanzen zu können.

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Ines, wie ist das Tour-Leben mit den Jungs? Plaudre doch mal aus dem Nähkästchen. Was muss man besonders drauf haben, um als einzig weibliches Bandmitglied eine monatelange Tour zu „überleben“?
Man muss da eigentlich nichts beachten oder sich nicht irgendwie umstellen. Wir sind seit 20 Jahren wie eine Familie, damit ist das vergleichbar. Da muss sich ja auch jetzt keiner verstellen oder zu Recht finden. Man muss halt mit den Macken des Kojennachbarn leben können. So Macken gehören zu jedem Menschen einfach dazu. Mit Liebe und Respekt lässt sich da auch nach den ganzen Jahren noch problemlos drüber hinwegsehen.
Aber das Duschen ist schon mal problematisch, wenn es nur so Sammelduschen gibt oder man die Dusche nicht abschließen kann - es sind ja auf so einer Tour nicht nur die Bandmitglieder anwesend, sondern auch Hinz und Kunz. Aber da schiebt dann einer von den Jungs Wache vor der Tür und gut is…

Wie kommt es, dass das beschauliche Freiburg immer wieder in eurem Tourkalender auftaucht? Ist Südbaden nur das Tor zur Schweiz, oder ist da mehr? Gibt es vielleicht sogar eine persönliche Anekdote die Freiburg und die Broilers verbindet?
Ja, Freiburg ist wirklich ein schönes Städtchen und wir kommen gerne dorthin. Zuletzt waren wir ja im Jazzhaus oder danach mal als Toten Hosen Support. Unser Gitarrist, Ronald, hat dem Städtchen seine Freundin nach Düsseldorf entführt. Bevor sie hier rüber zog, war Ron daher auch oft in Freiburg in irgendwelchen Kneipen zugegen und so gibt es dann also auch die besondere Verbindung…

Gibt es mittlerweile eigentlich Anfragen mal eine große Tour außerhalb des deutschsprachigen Raums zu spielen? Die Beispiele „Rammstein“ und „Die Toten Hosen“ zeigen ja eindrucksvoll, dass es dem internationalen Erfolg nicht entgegensteht, mehr oder minder ausschließlich auf deutschsprachige Texte zu setzen.
Wir planen da nichts. Klar, Österreich und Schweiz wird regelmäßig - auch Ende des Jahres - getourt. Aber die anderen Sachen sind aktuell kein Thema bei uns.

In Anbetracht der Konstanz, mit der ihr eure Besetzung beisammen haltet, würdet ihr sagen, dass ihr mittlerweile einfach so aufeinander eingespielt seid, dass ihr auch auf Tour keine neuen Seiten an den anderen Bandmitgliedern entdecken könnt, oder gibt‘s auch noch Überraschungen?
Die Macken verändern sich auch ab und an mal, aber dramatische Überraschungen, die dazu führen könnten, dass man einen nicht mehr riechen kann, blieben bislang aus.

Die oben angesprochene, kaum vorhandene Fluktuation in der Besetzung der Band ist ja sicherlich ein Teil eures Erfolges; wie kommt das, bzw. wie schafft ihr das? Gibt es ein Rezept, das ihr jungen Bands mit auf den Weg geben könnt?
Oh ja, ich denke in erster Linie sollte man dieselbe Leidenschaft haben. Beim Musik machen geht es um die Musik, da sollte man mal nicht verkrampfen. Man macht keine Musik, um erfolgreich zu sein, sondern man macht Musik irgendwie zum Ausgleich und für den Seelenfrieden, weil es Spaß macht. Dann sollte man mit seinen Bandleuten befreundet sein und nicht jemanden gleich vor die Tür setzen, wenn er mal zwei Wochen nicht bei der Sache ist. Aber noch mal, man kann da nichts erzwingen. Das sollte im Vordergrund stehen. Mehr nicht.

Die Broilers spielen im Rahmen der „NOIR“ Tour am 06.12. in der Rothaus Arena Freiburg.

www.broilers.de

WIN! Wir verlosen 3 x 1 Ticket. Zur Teilnahme sende eine E-Mail mit dem Betreff „Broilers“ an win@subculture.de.

Fotos: Robert Eikelpoth

Matthias Boksch