Subculture Soundsession #014: Tobias Rodenstein

...Tobias Rodenstein über Guetta vs. Old School, aufwändige Musikrecherche und Party-Abtörner
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Tobias Rodenstein ist 21 Jahre alt, dem Ohrklang-Kollektiv zugehörig und einer jener DJs, welche in letzter Zeit gefühlt hinter jedem Club-Mixer werkeln. Pauschal bzw. musikalisch müsste man den Freiburger der heterogenen Kategorie TechHouse  zuordnen. Wer aber genauer hinhört, dem drängt sich die Vermutung auf, dass House-Legenden wie Frankie Knuckles oder Marshall Jefferson einen weiteren jungen Plattenleger inspiriert haben. Dies erkennt man nicht selten an dem Hauch von Funky-Groovy-Oldschool-House, der sich durch seine abwechslungsreichen Sets zieht. 

Bürgerlich: Tobias Rodenstein
Alter: 21
Herkunft: Freiburg
Wohnort: München
DJ seit: 2011
Umfang Trackselection: 4.000
Setup: 2 Turntable + 2 CDJs
Style: House/Disco/TechHouse  

Hey Tobi, es ist ja immer interessant Einblick in die Gedanken und Erfahrungen eines DJs zu bekommen. Erzähl uns doch mal, was genau du tust und schildere uns deinen Werdegang in einem kleinen Exkurs.
Hey Ray, danke erst mal für die Einladung zu diesem Interview. Ich bin schon seit dem ersten Schritt in dieser Szene ein großer Fan vom subculture Magazin und habe schon immer gerne die Interviews der DJs oder die Line-Ups der kommenden Wochen mitverfolgt. Das Heftchen also meistens innerhalb von ein paar Minuten am Abend verschlungen. Im Grunde ist es ganz einfach. Ich mache das, was jeder DJ macht oder sagen wir mal so: machen sollte :D. Ich sorge für gute Musik und mixe die Tracks möglichst passend. Passend bedeutet auf die Stimmung, Location und Crowd zugeschnitten. Ich versuche bei meinen Gigs so gut wie möglich auf die gegebenen Bedingungen zu achten. Allerdings ist mir auch immer wichtig, dass ich Ich selber bleibe, meinen Musikgeschmack spiele und mich nicht als DJ-Bitch verkaufe, nur, um bei der breiten Masse besser anzukommen. Mein Ziel ist es, die Leute mit meiner Musik zum Tanzen zu animieren, sie zu begeistern, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ich fühle mich als Teil einer Kultur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den stressigen Alltag mal für eine Nacht oder zumindest für ein paar Stunden zu vergessen und sich einfach der Musik hinzugeben. Wenn die Leute einem während eines Sets zujubeln, pfeifen, sich danach bei mir für die Musik bedanken oder wenn meinetwegen Freunde von mir schreien „Tobi, du geile Sau!“ – dann ist DAS der Grund, warum ich dieses Hobby so liebe und so viel Zeit und auch Geld investiere.
Mein Werdegang als DJ und vor allem der meines Musikgeschmacks ist lang und ziemlich ereignisreich. Ich habe leider mit „Black vs. House“ aka „David Guetta House“ und Virtual DJ angefangen und in den letzten vier Jahren einen ziemlichen Reifeprozess durchlebt. Mein Gott, wenn ich bloß vor vier Jahren schon den Musikgeschmack gehabt hätte, den ich jetzt habe! Ich könnte schon so viel weiter und besser sein! Naja, was wäre wenn, blablabla. An dieser Stelle muss ich mich auch mal bei meinem Ohrklang Kollegen Felix Plazek bedanken, mit dem ich seit einem DJ-Contest vor drei/vier Jahren guten Kontakt pflege. Er hat mir immer wieder Tracks geschickt und mich nach und nach von der elektronischen Musik und dem Auflegen ohne Laptop überzeugt. DANKE!
Der Aha-Effekt kam bei mir zu Hause, als ich ein paar Elektro Tracks auf CD brannte und rein aus Experimentierfreude den Laptop und das Interface zur Seite gestellt und nur mit CDs aufgelegt habe. Was für ein geiles Gefühl das war! Ich kam mir plötzlich so frei, unabhängig und ja, doch ein bisschen Oldschool vor. Dieses Gefühl konnte nur mit zwei Plattenspielern und analogen House Platten übertroffen werden. Und das tat es!
So kommt es, dass ich mittlerweile bevorzugt analog mit Platten auflege und je nach Set das ganze mal mehr mal weniger mit CDs oder direkt vom USB-Stick untermale. Wichtig ist mir, dass ich keinen riesigen Bildschirm vor mir leuchten habe und einfach ankommen, die Platte auflegen und loslegen kann. Ich brauch keine riesige Effektauswahl oder irgendwelche Loops, mir reicht ein einfaches Xone oder meinetwegen auch Pioneer Mischpult. Mir geht es primär um die ursprüngliche Musik und um deren Kultur. Wenn man den Werdegang meines Musikgeschmacks und der meines DJ Equipment vergleicht, merkt man schnell, dass diese zwei Schicksale sehr stark miteinander verbunden sind. Man merkt, dass ich mich immer mehr in Richtung der Wurzeln der House und Techno Musik bewege, weg von dem aufkeimenden, populären Deep- und TechHouse. Mir macht es einfach viel mehr Spaß mit Platten alte, klassische, zeitlose, analoge House Musik aufzulegen.
Ich bin ein Perlensammler, für den es nichts Schöneres gibt, als eine unbekannte, seltene Vinyl zu finden, die keine Sau hat oder kennt, aber den Leuten trotzdem ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Mal ganz ehrlich, was reizt mich denn Jahr für Jahr 0815-House aufzulegen? Ich sehe darin einfach keine musikalische Herausforderung für mich. Musik ist Kunst und für mich ist es keine Kunst die aktuellen Charts, Robin Schulz oder andere Lalala-Musik zu spielen. Das hat für mich einfach kein Flair... Aber wie auch beim Equipment: nur meine Ansicht, jeder muss das tun, was einen erfüllt und glücklich macht.

Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Was schätzt du an der Szene? Gibt es Dinge, die dich stören oder die du ändern würdest, wenn du könntest?
Ach was, ich schätze es ist einfach diese Energie dieser Szene! Wie sie sich wandelt und so viel Kreativität hervorbringt. Was Veranstalter, Clubbesitzer, DJs, Produzenten, Designer etc. alles auf die Beine stellen ist der absolute WAHNSINN -  und das aus purer Leidenschaft! Oft auch nur um die Kosten wieder reinzuspielen. Das ist und bleibt einfach beeindruckend! Und auch die Vielfalt an Leuten, die eine geile Zeit gemeinsam haben wollen. Diese Szene, diese Musik, diese Kultur verbindet so viele Menschen, auch wenn sie noch so unterschiedlich sind. Das ist es was ich so schätze... nein, zu wenig: liebe!
Doch trotzdem hat auch diese schöne Welt ihre Schattenseiten: Es fehlt an vielen Ecken der Szene einfach an Verständnis für die andere Seite. Da könnte ich jetzt so viele typische Beispiele aufzählen, aber ich will hier jetzt nicht ewig ausschweifen und einen Shitstorm auslösen.
Jeder weiß, wovon ich rede. Das betrifft DJs, Veranstalter und genauso auch die Gäste. Sei es, wenn es um Gagen-Verhandlungen geht, dass manche Veranstalter meinen einem die Unterhosen ausziehen zu müssen, weil wir ja keine Kosten und nur zwei Stunden Aufwand haben, oder man gebucht wurde und dem Veranstalter jede Info einzeln herauskitzeln muss. Aber auch im gleichen Zug, dass manche DJs, ja zum Teil auch langjährige, meinen sie könnten ohne Rechnung oder angemeldetem Gewerbe Gage verlangen und sich respektlos benehmen. Oder wenn der Gast den DJ die ganze Zeit nur besoffen zulabert, am T-Shirt zieht, ihm das Ohr zusabbert, vom Auflegen ablenkt oder meint er müsste mal am Plattenspieler oder CD-Player rumfummeln. Überall denk ich mir einfach nur: Meine Fresse! Zeigt doch mal ein bisschen mehr Respekt! Man muss sich einfach vor Augen halten, dass diese Szene von Individuen und Freigeister nur so strotzt und genau von diesen Personen lebt. Dass es da mal zu Konflikten kommt, ist doch völlig verständlich. Aber man muss in diesen Momenten einfach ein bisschen mehr Toleranz zeigen, über Probleme reden, sich die andere Seite anhören und Verständnis zeigen. Es könnte manchmal um so vieles einfacher und gesitteter zugehen...

Als Newcomer reiten viele auf einer Welle der Euphorie und Leidenschaft, setzen sich Ziele und haben einen konkreten Weg vor Augen. Wo siehst du dich in der Zukunft? Hast du definierte Pläne, Ziele oder Vorstellungen von dem, was du gerne erreichen würdest?
Sagen wir so, ich habe einen heftigen Wandel in den letzten Jahren als DJ, wahrscheinlich auch als Person, durchlebt. Ich bin superhappy, dass ich jetzt endlich bei der Musik angekommen bin, bei der ich mich auch in Zukunft sehe.
Ich hoffe einfach, dass es weiterhin so gut läuft wie in den letzten Monaten und ich auch endlich den Sprung ins Münchner Nachtleben schaffe, wo ich seit gut einem Jahr studiere. Es ist nicht einfach, das Gleichgewicht zu finden. In beiden Szenen muss man aktiv und am Ball bleiben und ganz nebenbei noch ein Vollzeit-Studium abliefern, alles nicht so einfach...
Weil mich auch immer wieder Leute fragen ob ich produziere: NEIN, und ich habe mich mittlerweile dazu entschlossen es auch nicht mehr zu tun. Das kostet einfach zu viel Zeit und Geld. Wenn ich das in meine Musikrecherche stecke, haben ich und die Leute auf den Partys definitiv mehr davon. Ich will gute Musik spielen und die Menge auf der Tanzfläche glücklich machen, das ist alles! Ich hoffe, dass die Leute weiterhin meine Musik so schätzen und mich supporten wie bisher, dafür schon mal ein großes DANKE!!! See you on the dancefloor ;)




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Ray Hoffmann