The Drugs Don't Work: Interview mit Christoph Weber von DROBS Freiburg

Cannabis ist in unserer Kultur angekommen...

Wo gefeiert wird, werden Drogen konsumiert. Würde man von einem anderen Ansatz ausgehen, man täte sich in den eigenen Jutebeutel lügen. Alkohol, THC, Kokain, MDMA und sonstige chemische Substanzen sind in den Party-Szenen von Freiburg bis Flensburg omnipräsent. Kennt man den Freund eines Freundes, beschränkt sich der Aufwand der Beschaffung zumeist auf ein Minimum.
Dass mit dem Konsum aber auch immer ernstzunehmenden Risiken verbunden sind, wird allzu oft vernachlässigt. Erschwerend kommt hinzu, dass viele illegale Substanzen in immer höher und reiner dosierten Einheiten im Umlauf sind. Gerade unerfahrene Konsumenten setzen sich daher schnell dem Risiko einer zeitweiligen Überdosierung oder Schlimmerem aus.
Wir haben uns zu diesem Thema mit Christoph Weber, Sozialarbeiter und Systemischer Therapeut der Freiburger Drogenhilfe >DROBS<, unterhalten.

Herr Weber, beschreiben sie doch bitte die Arbeitsweise von DROBS. Welche Hilfestellungen und Programme werden unter ihrem Dach betreut und an wen richtet sich das Angebot ihres Hauses?
An uns können sich alle wenden die aktuell Drogen konsumieren, genauso aber Angehörige und andere Mitbetroffene oder auch Berufsgruppen, die in ihrem Berufsumfeld mit Drogenkonsum konfrontiert sind. Manche brauchen lediglich eine fachliche Auskunft, andere eher langfristige Hilfen, Beratung oder auch Therapie.
Über eine tägliche Sprechstunde ist es sehr einfach ohne Voranmeldung vorbeizukommen. Wir haben selbstverständlich Schweigepflicht und so brauchen Besucher nichts zu befürchten. Wir haben für Cannabis und Partydrogen-Konsumenten ein Beratungsprogramm „Realize It“, hierzu gehört auch eine monatlich stattfindende „Kiffergruppe“, zu der man auch ohne Anmeldung vorbeikommen kann. Für Angehörige gibt es eine offene Gruppe, die monatlich stattfindet. Die aktuellen Gruppentermine finden man ganz einfach auf unserer Homepage: www.drogehilfefreiburg.de.

Gibt es den verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln, wie er beispielsweise für legale Produkte propagiert wird, überhaupt? Oder, anders gefragt, was macht verantwortungsvollen Umgang für Sie aus?
Ja, natürlich, dies zeigt alleine schon die Statistik. Aktuell hat fast die Hälfte der jungen Menschen schon mal Cannabis probiert – eine Abhängigkeit entwickelt jedoch nur der kleinste Teil davon. In der Praxis zeigt sich auch, dass viele heftige Feierphasen mitmachen, aber der große Teil auch wieder einen Weg in einen verantwortungsvollen, moderaten Konsum findet. Manche kommen auch deshalb zu uns und werden hierbei von uns unterstützt. Wir arbeiten akzeptierend und richten uns nach den Zielen unserer Klienten.

Sprechen wir über Partydrogen. Die beliebteste dürfte der Alkohol sein. Macht sich das auch in ihrer Arbeit bemerkbar? Wie ist das Verhältnis von Klienten, die sie wegen ihres Trinkverhaltens aufsuchen, zu denen mit anderen Suchtproblematiken?
Die Drogenhilfe Freiburg ist traditionell in Freiburg für den Bereich der illegalen Drogen gegründet worden. Deshalb gehen Erwachsene mit einem Alkoholproblem zu anderen Beratungsstellen. Als Jugend- und Drogenberatungsstelle haben wir für die Jüngeren  jedoch auch spezielle Angebote bei Alkoholproblemen.

Was halten Sie  von der aktuellen Legalisierungsdebatte um Cannabis?
Wichtig ist es junge Menschen nicht früh zu kriminalisieren, sondern mehr in Prävention zu investieren, um riskante Konsummuster zu verhindern oder zu durchbrechen. Die überwiegende Mehrzahl der Konsumenten kifft gelegentlich und es sind in der Regel unauffällige, aufgeschlossene Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende, viele gut integrierte Erwachsene in allen Altersschichten. Deshalb unterstütze ich Bemühungen hinsichtlich einer dringend notwendigen Reform des BtMG und des Führerscheinrechts, um damit gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht zu werden: Cannabis ist in unserer Kultur angekommen und dies teilweise bereits in 2. und 3. Generation!



In unseren Nachbarländern werden Veranstaltungen teilweise von sogenannten Drugchecking-Teams begleitet. Dem Konsumenten wird also vor der Einnahme die Möglichkeit geboten Wirkstoffgehalt und Zusammensetzung dessen, was er im Begriff einzuwerfen ist, in Erfahrung zu bringen. Ein sinnvoller Ansatz?
Ja, auf jeden Fall. Viele junge Partygänger haben nicht viel Erfahrung im Umgang mit chemischen Substanzen. Da sie sich jedoch nicht von den Verboten abschrecken lassen, ist es besser in einen offenen Dialog zu treten. Das Drugchecking, welches auch von vielen Fachleuten, wie dem von mir hochgeschätzten Freiburger Rechtsmediziner Prof. Auwärter, gefordert wird ist hier ein wichtiger Beitrag zur Risikominimierung. Drogenberatung kann hierdurch mehr ehrliche Akzeptanz erreichen. Durch den zunehmenden Verkauf von sogenannten Chemical Research Drogen im Internet wird dies in Zukunft noch wichtiger werden.

Aus verschiedenen Gründen ist das Drugchecking in Deutschland nicht möglich. Zu welchem Verhalten oder welcher Vorgehensweise würden sie also jemandem raten, der (erstmals) Ecstasy oder Vergleichbares konsumiert?
Man sollte die Drogen niemals von Fremden im Club kaufen. Erfahrene Konsumenten, denen man vertraut, bieten da einen gewissen Schutz. Wichtig ist auf jeden Fall, besonders wenn man keine Erfahrung besitzt, auf Mischkonsum gänzlich zu verzichten. Mischkonsum verringert oft die positive Wirkung und verstärkt die negativen Nebenwirkungen. Manche Mischungen, besonders auch mit Alkohol, bergen da große Risiken. Dies wird leider oft unterschätzt.
Gute Informationen bietet hier das Projekt www.drugscouts.de aus Leipzig, die wir auch schon zu einem fachlichen Austausch in Freiburg eingeladen hatten.

Wie kann man Hilfestellung leisten, wenn im Umfeld jemand drogenursächlich kollabiert oder offensichtlich Beistand benötigt?
Wenn man nicht sicher ist, was diese Person konsumiert hat, dann sollte man unbedingt sofort den Notarzt rufen und sich keine Sorgen machen wegen der Illegalität, denn schnelle Hilfe ist oft lebensrettend. Ich erlebte einmal auf einer Technoparty wie eine junge Frau durch Stroboskop-Licht einen epileptischen Anfall bekommen hat. Sie knallte hart auf den Steinboden. Damals meinten viele drum rum Stehenden: „Ach die hat ja nur nen Epi der geht wieder rum“. Wir haben den Notarzt gerufen: Die junge Frau hatte einen Schädelbasisbruch. Sie hatte zum ersten Mal Ecstasy konsumiert und war keine Epileptikerin. Sie wurde operiert und hat zum Glück  keinen bleibenden Schaden behalten.

Zum Abschluss ist nochmal ihre persönliche Einschätzung gefragt. Was wird im Bereich der illegalen Freizeitdrogen am häufigsten konsumiert und welche Stoffe bergen das höchste gesundheitliche Risiko für die Konsumenten?
Mit großem Abstand wird am meisten Cannabis geraucht. Mittlerweile ist jedoch der Amphetaminkonsum (Speed, Pep) sehr stark verbreitet und beide Substanzen werden bereits von sehr, sehr jungen Konsumenten eingenommen. Gerade diese Kombination birgt für einige ein erhöhtes Psychose-Risiko. Manche puschen sich auf mit Amphetamin und denken mit Cannabis kiffen sie sich wieder runter. Leider ist das potente Cannabis zu psychoaktiv und die erwartete beruhigende Wirkung tritt dadurch gar nicht ein. Manche entwickeln hierdurch auch Angststörungen oder Depressionen.

www.drogenhilfefreiburg.de


 

Matthias Boksch