Gentleman / New Day Dawn

Vertigo Berlin / Dancehall & Reggae / www.gentleman-music.com

Reine Fußsache? Der „richtige“ oder „falsche“ soll bekanntlich über den Einstieg in den Tag entscheiden. Wenn Gentleman dessen Anbruch ausruft, gewinnt die Fußfrage an Bedeutung: Hier geht es ja nicht ums Kalendarische, um 24 Stunden, sondern um Lebens- und Schaffensabschnitte. Die vorhergehenden haben den 38-Jährigen zum größten Reggae-Star gemacht, den Deutschland je hervor brachte. Possen hat der gebürtige Kölner sich und seinen Fans auf diesem Weg erspart. Das Neue an dem Tag, den er jetzt begonnen hat, besteht hauptsächlich in Eigenarbeit. Gentleman hat nicht nur die Songs geschrieben. Auch die Riddims entstanden unter seiner Regie, und er verzichtet komplett auf Gesangsgäste. Mit „The Journey“ setzt das Album ausgeschlafen an. Dann verschleiert Nachdenklichkeit das aufziehende Wachgefühl. Teils wird der Sound sogar arg getragen oder poppig, bevor zeitweise wieder mehr Temperament durchbricht. Wie die Stimmung wechselt die Rhythmik oft zwischen Reggae und Dancehall. Bezeichnenderweise erscheint das Album im April, der berüchtigt ist für Unstetigkeit. „New Day Dawn“ hinterlässt uneinheitliche, wenige tiefe Eindrücke. Gentlemans neuer Tag ist kein schlechter, schleicht aber weitgehend ohne prickelnde Höhepunkte vorbei. Er hat weder den „richtigen“ noch den „falschen“ Fuß erwischt, ist wohl mit beiden aufgestanden. JS
4/6

Jürgen Schickinger