Liebe Tabea, ... ein Text von Marvin Suckut

Du hast Glück, Tabea, einen erfolgreichen Autoren als Freund zu haben ...

Liebe Tabea,
du hast mich gebeten dir einen Text zum Geburtstag zu schreiben und ich werde dir diesen Wunsch natürlich mit Freude erfüllen. Es sei an dieser Stelle festzuhalten, dass der als „Wunsch“ formulierte Wunsch eher als Aufforderung zu verstehen ist und ich diese Aufforderung als eine Aufgabe betrachte über mich selbst hinauszuwachsen.
Du hast Glück, Tabea, einen erfolgreichen Autoren als Freund zu haben, der sich dieser Aufgabe gewachsen sieht. Nun würde mich aber doch folgendes interessieren: Angenommen, du hättest einen Freund, der Klempner ist, würdest du ihn auch bitten dir zu Geburtstag deine Toilette zu reparieren? Oder hast du vielleicht eine wischwütige Putzkraft in deinem Freundeskreis, welche dir liebend gerne zu deinem Jahrestag einmal die Wohnung schrubbt? Unentgeltlich versteht sich, Tabea! Denn wer nimmt schon Geld von Freunden an? Natürlich kann man sagen, es ist ein Privileg, seine für den Beruf notwendigen Fertigkeiten auch im Privatleben einsetzen zu können. Aber glaubst du eine Prostituierte hat nach Feierabend Lust auf Sex?
Dass es von Vorteil ist Elektriker zu sein um zu Hause mögliche Kosten zu sparen, ist natürlich einleuchtend. Das ist witzig, weil: „Elektriker...und...einleuchtend“, verstehst du, Tabea? Dennoch mag ich zu bezweifeln, dass ein Elektriker nach Hause kommt und sich denkt: „Mensch, jetzt so eine richtig geile Glühbirne im Bad anbringen. Da hab ich jetzt Bock drauf.“ Unwahrscheinlich, liebe Tabea. Warum sollte man etwas umsonst tun, wenn man eigentlich dafür bezahlt werden kann?
Der Joker aus Batman hat einmal gesagt: „Wenn du etwas gut kannst, mache es niemals umsonst.“ Und da gehe ich voll mit. Gut, ich bin auch ein guter Liebhaber und lasse mich nicht für Sex bezahlen, aber ich bereue es jeden Tag!
Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist das Kriterium der Freundschaft. Freundschaft ist nicht nur ein Privileg, sondern auch eine Bürde. Ein Aufgabe, der man durch Zwischenmenschlichkeit und Bauchpinselei gerecht werden muss.
Aber Freundschaft zahlt mir nicht die Miete. Freundschaft macht nicht satt. Freundschaft ist streng genommen ein notwendiges Übel zwischenmenschlichen Kontakt zu pflegen und es gibt sehr wenig Menschen, die ich mag und für die ich etwas tun würde, worauf ich zum einen keine Lust habe und zum anderen darin keinen Mehrwert für mich erkenne.
Aus ökonomischer Sicht ist Freundschaft ein unangebrachtes Mittel für Preisdumping. Freundschaft ist der erste Schritt zur Vernichtung der Marktwirtschaft. Denken wir doch mal weiter, liebe Tabea. Wenn du mich bittest dir einen Text zu schreiben, dann kommt in zwei Tagen die nächste Person und möchte auch einen solchen von mir haben. Und dann die Nächste, weil alle Menschen auf einmal meine Freunde sind. Freundschaft muss doch etwas sein, das auf Gegenseitigkeit beruht und gepflegt werden muss. Und das Pflegen einer Freundschaft bedarf Arbeit. Wo wir wieder beim Thema sind, Tabea.
Wenn Freundschaft die Basis ist, die durch Arbeit gepflegt werden muss, ist der Lohn nur noch mehr Freundschaft. Das ist doch scheiße, Tabea. Ein Teufelskreis. Das ist wie, als würde ich zur Bank gehen um mir Geld zu kaufen. Da habe ich am Ende genau die gleiche Scheiße, aber was es mich eigentlich gekostet hat ist Zeit! Es ist also nicht nur so, dass ich nichts verdiene, ich zahle auch noch drauf. Denn Zeit ist ja bekanntlich Geld und mir ist mehr Zeit mehr wert als weniger Zeit. Und jetzt komm mir nicht mit dem Argument: „Aber dir macht das doch Spaß.“
Ja halt dein Maul, Tabea!
Natürlich macht es mir Spaß. Aber sieh es mal so: Salvador Dali hatte einen Pool, den er mit Seeigeln ausgelegt hat, damit niemand darin laufen kann. Ein Pool ist schließlich zum schwimmen da – that‘s the spirit! Dali hätte sich sicherlich keinen Pool kaufen können, wenn er die ganze Zeit Bilder für Freunde oder nur so zum Spaß gemalt hätte. Ich will auch gar nicht wissen was 1000 Seeigel kosten. Und du, liebe Tabea, bist der Grund, warum ich keinen Pool habe.
In was für eine Welt würden wir leben, wenn man für etwas bezahlt werden würde, nur weil es einem Spaß macht? Ich würde den ganzen Tag schlafen, vögeln, essen und dabei auch noch reich werden. Ich könnte das alles sogar gleichzeitig. Mein Gott, hätte ich effizient „Spaß“.
Dass mir meine Arbeit zusätzlich Spaß macht, ist ein Luxus, das gebe ich zu, aber nur weil ich Kunst mache, ist das doch nicht weniger wert als eine andere Dienstleistung. Kunst ist ein Gut, mit dem man genauso handeln kann wie mit anderen Dingen auch. Tausche einen Picasso gegen zwei Kamele und vier Äpfel und du wirst sehen, das was nicht der klügste Deal deines Lebens. Wenn ich es aber schaffe mir einen halben Liter Farbe auf den Penis zu leeren, damit vor einer Leinwand beginne herumzuhelikoptern, das entstandene Werk für Ein halbes Pfund Hack und 100 g „Gut&Günstig-Frischkäse“ einzutauschen, bin ich echt ein krasser Typ. Der Wert von Kunst ist also relativ, Tabea. Den Wert bestimmst aber nicht du, Tabea. Ob ich für das Peniskopterbild auch zwei Kamele und vier Äpfel bekomme ist unwahrscheinlich, keine Frage.
Oftmals steigt der Wert eines Werkes erst mit dem Tod des Künstlers.
Willst du, dass ich sterbe, Tabea? Ist es da was du willst? Meine Werke umsonst bekommen, mich sterben lassen und die Texte dann teuer weiterverkaufen? Das Ende scheint unausweichlich zu sein, oder ist es so, dass du es allein für die Kunst tust Tabea?
Du Empathiegenie!
Man sag: „Der Erfolg gibt einem Recht.“ Vor allem gibt mir der Erfolg das Recht, mich für das, was ich tue, bezahlen zu lassen. Und wenn die Bezahlung Kamele und Äpfel sind, fuck it, das wäre ok. Ich meine, wie geil ist so ein scheiß Kamel bitte? Und wenn die Bezahlung darin besteht, dich als Freundin zu haben, dann ist das fürs erste auch ok.
www.marvinsuckut.de



Marvin Suckut
… wurde 1989 in Stuttgart geboren. Seine Karriere als Autor begann 2009 ebendort bei den Ba-Wü U20 Meisterschaften im Poetry Slam - welche er gewann. Seitdem kann er auf über 800 Auftritte bei diversen Literaturveranstaltungsformaten zurückblicken. Seit 2010 lebt er in Konstanz, von wo aus er eigene Veranstaltungen rund um den Bodensee organisiert und moderiert. 2012 erschien sein erstes Buch „Ich kann ja sonst nichts.“ im Tinx-Verlag. Im Laufe der letzten Jahre konnte er über 300 Poetry Slams für sich entscheiden, wurde 2013/2014 Ba-Wü Vize-Meister und stand 2016 im Finale der Meisterschaften in Stuttgart.
Ach ja, und an jedem letzten Donnerstag im Monat moderiert er den Slam Poetry im Freiburger Café Atlantik. Für das vorliegende Magazin hat uns Marvin seinen schönen Text von Tabea und der Kunst geliehen.

Text: Marvin Suckut, Februar 2017
Artikelfoto: Marvin Suckut by © Jakob Kielgass
Textfoto: Marvin Suckut by © Zoe Lindegger

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