POP-FRequenz Freiburg – Interview mit Christian Pertschy

Lautsprecher der Freiburger Jazz-, Rock- & Popszene

POP-FRequenz e.V., gegründet 2013 in Freiburg, ist eine Art Lobbyverein, mit dem löblichen Vorhaben der Popkultur in Freiburg den Rücken zu stärken und Netzwerke aufzubauen. Die omnipräsenten Topics hierbei lesen sich wie folgt: Auftrittsmöglichkeiten, Proberäume, Vermarktung, regionale und überregionale Vernetzung, Existenzförderung.
Der Vorstand besteht aus Michael Musiol, Geschäftsführer der Jazzhaus Freiburg GmbH und Christian Pertschy, dem Geschäftsführer der Jazz & Rock Schulen Freiburg. Ansonsten zählt der Verein mittlerweile ca. 40 Mitglieder.

Hallo Christian und herzlichen Dank für die Dialogbereitschaft. Kannst du uns den eingetragenen Verein POP-FRequenz mal kurz vorstellen.
Wir freuen uns über euer Interesse. Öffentlichkeitsarbeit für den Verein zu betreiben gehört nicht zu unseren ganz starken Seiten ;-). Der harte Kern unseres Vereins besteht aus Michael Musiol (Jazzhaus), Tilo Fierravanti (Haus der Jugend), Zeus B. Held unserem Kassenwart, Tilo Buchholz, Björn Jakob (Manager von Fatcat & Tonewood) und eben mir.
Wir stehen alle voll im Saft, was unsere Brotberufe anbelangt und versuchen das Ehrenamt so gut es geht auszufüllen. Wir erfahren tolle Unterstützung von Udo Eichmeier aus dem Kulturamt, wo wir uns regelmäßig zur Pop-AG mit anderen Musik- und Popinstitutionen der Stadt treffen und austauschen. Viele unsere Themen und Ideen entstehen dort und in Zusammenarbeit mit den anderen Kollegen.

Zuletzt unterhielten wir uns im Februar 2015. Es ging um eure Kundgebung am Rathaus, mit der ihr auf den akuten Mangel an Proberäumen aufmerksam machen wolltet. Was hat sich seit dem getan? Wie ist es derzeit um die Proberaum-Situation in Freiburg bestellt?
Leider ist die Situation nicht wesentlich besser geworden. Die Proberaumsituation in Freiburg hängt mit dem Immobilienmarkt zusammen und da gibt es einfach viel mehr Nachfrage als Angebot. Das wiederum bestimmt den Preis und sorgt für die Misere vieler Kreativschaffender, die sich keine hohen Mieten leisten können.
Die Stadt kann derzeit keine Angebote machen, so dass wir vom Verein dazu übergegangen sind, pragmatische Lösungen zu suchen und private Initiativen zu fördern und zu unterstützen.
Wir arbeiten zum Beispiel eng mit Michael Simon zusammen, der mittlerweile fünf Proberäume in Freiburg unterhält und diese tageweise vermietet. Bei ihm sind über 50 Bands und Musiker eingemietet. Das ist zwar nicht immer die Traumlösung, bietet aber immerhin eine realistische und bezahlbare Chance auf eine Möglichkeit zum Üben.
Wir haben für den nächsten Doppelhaushalt einen Antrag für ein Freiburger Bandförderprogramm gestellt, das unter anderem ein Artist-in-Residence Modul enthält und zwei Bands eine optimale Probesituation ermöglichen würde. Das ist Spitzenförderung und nicht Breitenprogramm, weist aber deutlich auf die Problematik hin. Im Idealfall entsteht eine Sogwirkung für die Breite um ein solches Projekt herum.



Wie beurteilst du die Arbeit eures Vereins, vier Jahre nach Gründung? Gibt es konkrete Ergebnisse die auf euer Engagement zurückzuführen sind?
Wäre der Verein mein Beruf, wäre ich darüber ernüchtert, warum sich Dinge nicht schneller entwickeln. Mit unserem begrenzten Zeitbudget haben wir aber doch ein paar Projekte auf die Beine stellen können: Mit dem Haus der Jugend und der Jazz & Rock Schule haben wir zum Beispiel mit myStage eine Bühne und Auftrittsmöglichkeit für ganz junge Bands – in diesem Jahr auch beim ZMF – geschaffen. Außerdem haben wir die Pop2Go Coachings sowie Workshops und Konzerte für Schüler, die vom Bund bezahlt werden – immerhin 20.000 € pro Jahr, die so in Freiburg landen – ins Leben gerufen. Das gilt auch für das Branchenmeeting im Jazzhaus.
Ganz toll finde ich die Entwicklung in puncto Kreativwirtschaft in Freiburg, die von der FWTM und dem Kulturamt um Bernd Dallmann, Achim Könneke, Kristina Müller und Gudrun Reber angestoßen wurden. Wir waren dort mit Tilo Buchholz, Michael Musiol und mir im Steuerkreis vertreten.
Die Lobbyarbeit rund um Popmusik hat viel mit Popkultur und Kreativwirtschaft zu tun. Die Stadt hat erkannt, dass die Kreativwirtschaft auch ein Wirtschafts- und Standortfaktor ist und derzeit mehr Beschäftigte verzeichnet als etwa die Tourismusbranche in der Region. Das ist ein Schritt in eine neue Richtung und sollte dazu beitragen, dass die Rahmenbedingungen für Kreative insgesamt verbessert werden. Dazu gehören die Themen Raum, Vernetzung, Vermarktung aber auch Beratung in Sachen Existenzgründung und Fördermöglichkeiten durch Land, Bund und Europa.

Von der Situation der Proberäume einmal abgesehen, welchen Zustand hältst du derzeit für den gravierendsten Missstand der Livemusik-Szene, und wie kann hier entgegengewirkt werden?
Ein großer Missstand ist, dass gute Musiker kaum noch anständig für ihre Auftritte bezahlt werden. Entweder man macht „Dienstleistungsmusik“ in Cover- und Galabands, dann gibt es gute Gagen. Wenn man aber mit der eigenen Kunst auftreten will, muss man froh sein, überhaupt eine Bühne zu finden oder ganz viel Arbeit in die Vermarktung stecken und dem Veranstalter ein stückweit die Arbeit abnehmen, die Konzerte zu „verkaufen“.
Ich habe beispielsweise viel mit den Jungs von Fatcat zusammengearbeitet, als die noch an den Jazz & Rock Schulen studiert haben. Sie haben bei mir einen Kurs in Selbstvermarktung besucht, in dem wir die Band analysiert und einen Maßnahmenplan für die weitere Arbeit entwickelt haben. Sie haben nun einen respektablen Status in und um Freiburg erlangt und erreichen regelmäßig ein paar hundert Konzertbesucher, wenn sie hier auftreten. Das hat ein Jahr gedauert und nun kann man ganz andere Gagen aushandeln, wenn man es mit der Präsenz nicht übertreibt. Das gilt aber noch nicht für Heidelberg, Paderborn oder Rosenheim. Man kann froh sein Veranstalter und Unterstützer zu finden, die wie das Jazzhaus mit den Entdeckerkonzerten noch bereit sind, in Newcomer zu investieren. Denn ohne eine gewisse Breite und Vielfalt unter den Newcomerbands sieht es auch bald an der Spitze ganz düster und traurig aus.
Die Veranstalter und Clubbetreiber kämpfen mit großen Schwierigkeiten, solche Newcomerkonzerte wirtschaftlich erfolgreich - oder auch nur mit einer schwarzen Null - durchzuführen. Ohne Förderung geht das fast nicht mehr und bei vielen geht es um die Existenz. Oft ist es lukrativer auf den gastronomischen Umsatz zu setzen und allenfalls einen DJ zu buchen. Wobei auch da der Trend zum Preisdumping geht und DJs zum Teil nicht mehr bezahlt werden.



Was würdet ihr euch speziell von Seiten der Stadt wünschen? Welche Schritte müssten gegangen werden, wenn sich das Klima für Musiker in der Region nachhaltig verbessern soll?
Das von uns angeregte Freiburger Bandförderprogramm wäre eine tolle Sache. Neben dem Proberaum sollten die geförderten Bands mit einem kleinen Budget für Mietbusse, um Konzerte spielen zu können, oder für Studioaufenthalte ausgestattet werden. Die Stadt sollte generell ein stärkeres Schlaglicht auf ihre Kreativen werfen. Wir haben auf unserer Website eine Musiklandkarte Freiburgs angeregt. Das könnte durchaus auf alle kreativen Disziplinen erweitert werden und unter einem Gütesiegel wie „Created in Freiburg“ auch ein interessantes Instrument für das Stadtmarketing werden.
Wenn wir in Freiburg Erfolgsgeschichten wie mit Otto Normal, Äl Jawalla oder Fatcat schreiben können, wirkt das in die junge Szene hinein und zieht junge Leute mit.



Was davon ist realistisch, bzw. welche der von dir genannten Schritte könnten deiner Meinung nach im Lauf eines Jahres umgesetzt werden?
Freiburg steht in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Wahrscheinlich werden alle neuen Projekte die Geld kosten schwierig umzusetzen sein. Ich hoffe aber auf die Weitsicht, dass die Kreativ- und Musikwirtschaft auch Geld bringen kann und die vorgeschlagenen Schritte mit vergleichsweise kleinem Budget realisierbar sind.
Am wichtigsten finde ich es, dass innerhalb der FWTM Strukturen für die Kreativwirtschaft entwickelt werden und die Branche mehr Aufmerksamkeit erfährt. Ein bisschen was für die Vernetzung, Sichtbarkeit und Vermarktung zu tun, sollte seitens der Stadt möglich sein.

Wenn sich nun der Leser von eurem Konzept begeistert zeigt, wie könnte er sich unterstützend engagieren? Mitgliedschaft? Spende? Garage leerräumen...
Wir freuen uns über Unterstützer, die bei uns Mitglied werden wollen. Das geht als passives Mitglied, um einfach nur Wertschätzung zu zeigen, oder auch als aktives Mitglied. Wir haben viel Raum, um eigene Ideen einzubringen und umzusetzen. Die Mitgliedschaft ist übrigens kostenlos und verpflichtet zu nichts. Anmeldeformulare gibt es unter www.popfrequenz.de.
Und klar, falls jemand in Keller oder Garage eine Probemöglichkeit zur Verfügung stellen kann und eine Band beherbergen möchte, freuen wir uns über Rückmeldung.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg.

www.popfrequenz.de


Matthias Boksch