Colab Gallery: Galerie für urbane zeitgenössische Kunst – Ein Interview mit Kevin Reinhart

"Oberflächlich gesehen kann man das Graffitiwriting vielleicht als homogen bezeichnen..."
Die Colab Gallery im Dreiländereck startete im Jahr 2006 als Ausstellungsplattform für Graffiti-Sprayer. Einst von Edwin Faeh, Geschäftsführer Carhartt Europa und Sigi von Koeding, besser bekannt unter seinem Künstlernamen DARE († 2010), ins Leben gerufen, hat sich die Galerie mittlerweile zu einer der facettenreichsten und größten Ausstellungsflächen für urbane Kunst entwickelt.
Colab, eine Kurzform von Collaboratorium (colaborar = spanisch für Zusammenarbeiten + lab = Kurzversion von Labor) ist ein Kunstfreiraum für eine internationale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit.


 
Wann und wie kam es zu dem Tipping-Point, an dem die Galerie jenseits der Writer-Szene als Instanz für urbane Kunst von einem breiteren Publikum wahrgenommen wurde?
Das war eigentlich ein schleichender Prozess, über den wir uns überhaupt nicht im Klaren waren. Erst als unser Kurator 2010 die Art Miami besuchte und dort mehrfach von Künstlern auf die Gallery und deren guten Ruf angesprochen wurde, war uns klar, dass wir weit über die Landesgrenzen beobachtet und wahrgenommen wurden. Wir legten und legen immer großen Wert auf die Qualität der ausgewählten Künstler und das hat sich wohl in den letzten Jahren ausgezahlt. Das wir zu solch einer bekannten Institution für urbane Kunst geworden sind, wird uns nach wie vor erst langsam bewusst. Umso größer ist nun die Verantwortung die auf unseren Schultern lastet, diesen Nimbus nicht zu zerstören.


 
Wer ist beteiligt an den unumstrittenen Verdiensten der Colab Gallery um die Etablierung dieser Kunstrichtung? Wer gehört zum Team?
Ui, da sind ganz viele beteiligt. Zuerst natürlich Edwin Faeh (CEO von Carhartt WIP), ohne dessen Vertrauen und Finanzierung diese Gallery in der bestehenden Form nie möglich gewesen wäre. Er gründete 2006 zusammen mit Sigi von Koeding (aka DARE) die Carhartt Gallery. Ein wichtiger Bestandteil ist sicherlich auch der Wegbegleiter von Sigi, Wolfgang Krell, der nach Sigis Tod kurzzeitig die Kuration inne hatte und uns bis heute mit Rat und Tat zur Seite steht.
Seit Ende 2010 hat Stefan Winterle die Kuration übernommen und führt die Galerie in den künstlerischen Belangen mit fester Hand. All das wäre natürlich nicht machbar ohne das gesamte Team im Background. Zu erwähnen wären hier Rudi, der sich um das Gallery Management kümmert, Dan unser Grafiker und Social Media Mann, Meli und Anne, die sich um die Buchhaltung und den Onlineshop kümmern und Susann, die als studentische Aushilfe das gesamte Team unterstützt.
Zudem gibt es noch viele freiwillige Helfer und Freunde, die uns immer mit Rat und Tat zur Seite stehen.


 
Graffiti war ja im Vergleich zu Street Art ein halbwegs homogenes Feld. Wie reagiert ihr auf die Interdisziplinarität der aktuellen Darstellungsformen?
Oberflächlich gesehen kann man das Graffitiwriting vielleicht als homogen bezeichnen. Allerdings gab es auch früher schon eher die Stylewriter, die Characterkünstler, oder diejenigen, die sich um den Background gekümmert haben. In Ansätzen waren schon immer verschiedene Stilrichtungen vorhanden, vor allem auch länderspezifische. Diese haben sich zu eigenständigen Disziplinen herausentwickelt. Die heutige Vielfalt finden wir klasse. Das zeigt die enorme Schaffenskraft, die in der Urban Art Szene zu finden ist.


 
Wir verwenden viel Zeit darauf Trends zu entdecken und zu folgen und versuchen diese zeitnah bei uns zu zeigen, sobald sie zu fassen sind. Ich denke da wird noch einiges kommen.
Wie wirkt sich der Popularitätsschub von Street & Urban Art auf euer Schaffen aus?
Als die Galerie eröffnet wurde, bestand bei den Künstler und den Fans der Szene die Hoffnung, dass Urban Art populärer wird. Den heutigen Hype hatten aber wohl die wenigsten erwartet. Für unsere Art Ausstellungen zu organisieren hat dieser Schub aber keine direkte Veränderung gebracht. Wir haben diese Kunstrichtung von Anfang an ernst genommen und alle bisherigen Ausstellungen mit entsprechender Sorgfalt und der Liebe zum Detail vorbereitet. Und so konnten wir uns über die Jahre mit harter Arbeit einen guten Ruf bei den Künstlern erarbeiten.
Dass die Kunst populärer geworden ist, merkt man vor allem im internationalen Kontext. Heute gibt es einen weltweiten Wettbewerb der Galerien um die besten Talente.


 
Gibt es einen vergleichbaren Ausstellungsraum, der ein annähernd ähnliches Profil aufweist, wie die Colab Gallery?
Mir ist kein anderer Ausstellungsraum bekannt. Ich glaube wir haben mit unserem Konzept ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Das kommt zum einen durch die bauliche Struktur unserer Galerie, diese ist auf Gruppenausstellungen ausgelegt.
Dazu kommt die Auswahl der Künstler. Wir arbeiten gerne mit jungen Talenten zusammen und möchten ihnen erste internationale Aufmerksamkeit und Erfahrungen ermöglichen.
Auch haben wir uns bisher gegen langfristige Verträge entschieden und arbeiten bewusst projektorientiert mit unseren Künstlern zusammen. Mit diesem Modell sind wir so frei, dass wir zeitnah auf die Entwicklungen in der Szene eingehen können.
Bisher sind um die 100 Künstlern unserer Einladung gefolgt. Da sind wir schon stolz darauf. Ist doch so mancher heutige Star der Szene schon früh bei uns zu sehen gewesen.
Thorsten Leucht