Interview: Benny Grauer

Vor einigen Jahren kehrte der Tübinger Benny Grauer der schwäbischen Idylle den Rücken und machte sich auf den Weg gen Berlin. Und es scheint keine schlechte Entscheidung gewesen zu sein wie der Erfolg seines eigenen Labels Deep Circus zeigt. Was die letzten Jahre so alles bei Herrn Grauer passiert ist, wie es den LosPornos geht und wie das Leben in einer Großstadt so ist, das könnt ihr in diesem Gespräch erfahren. Viel Spaß!

Hey Benny! Du bist vor einigen Jahren von Tübingen nach Berlin gezogen. Erzähl uns doch mal kurz was Berlin für dich so reizvoll gemacht hat.
Ich war Ende der 90er oft bei Freunden zu Besuch in Berlin und fand die Stadt schon damals sehr faszinierend. Berlin gab und gibt Kreativen, Querdenkern, Künstlern und Kulturschaffenden Platz sich zu entfalten und ihre Ideen zu leben und umzusetzen. Diese Vielfältigkeit macht diese Stadt  unheimlich attraktiv und lässt einen immer wieder Neues entdecken. Kurz nach der Jahrtausendwende habe ich dann Eventmarketing und -Management in Berlin gelernt. Direkt nach Ausbildungsende 2004 kam dann das Angebot, den Blauen Turm in Tübingen zu machen. Das konnte ich nicht ausschlagen, aber das Kapitel Berlin war für mich nie abgeschlossen. Seit 2008 wohne ich jetzt wieder in Berlin. Ich mag einfach auch das Großstadtleben mit all seinen Vor- und Nachteilen. Tübingen wäre mir mittlerweile viel zu klein.

Du hast dein eigenes Label „Deep Circus“ jetzt seit etwas über zwei Jahren am Start. Zuerst vielleicht mal ein kurzes Resümee dieser Zeit?
Ich bin auf alle Fälle sehr zufrieden damit, wie sich Deep Circus in den letzten zwei  Jahren entwickelt hat. Das Label hat einen konstant ordentlichen Output und einen Stamm an guten nationalen und internationalen Produzenten, die tolle Arbeiten abliefern. Und es kommen ständig neue Künstler dazu, darunter sind sowohl junge Talente wie beispielsweise die in L.A. lebende Lilith, als auch langjährige und erfolgreiche Produzenten wie Hermanez, David Keno oder Warren Fellow. Im Februar erscheint nun bereits das 11. Release und die Arbeit macht immer noch Spaß!

Kann der Standort Berlin auch manchmal ein Nachteil sein? Vor allem wenn man bedenkt dass es in Berlin natürlich aufgrund der Masse an Künstlern und Labels schwieriger ist herauszustechen?
Ich denke nein! Ich sehe den Standort sogar eher als Vorteil, da man hier viel leichter in direkten Kontakt mit anderen Künstlern, Labels, usw. kommen kann. Hierdurch entstehen oft erfolgreiche Kooperationen, die einen weiter bringen. Zudem hat man die Möglichkeit, sich ein starkes Netzwerk aufzubauen und gute Kontakte zu knüpfen, was mit das Wichtigste in diesem Business ist. Natürlich kommt einem das auch in Berlin nicht einfach zugeflogen, genauso wenig wie die Gigs. Und klar muss man, vor allem als zugezogener Künstler, etwas Geduld und Ausdauer mitbringen. Aber letzten Endes ist das überall so und wer die Qualität und den nötigen Fleiß mitbringt, kann auch in Berlin erfolgreich arbeiten.

Was war der hauptsächliche Grund für dich ein eigenes Label zu gründen? Wolltest du vor allem eine Plattform für deine eigenen Releases haben?
Das war zu Beginn auf alle Fälle der hauptsächliche Beweggrund. Ich wollte mit meinen ersten Releases einfach mal schauen, wie mein Zeug so ankommt. Mittlerweile ist Deep Circus aber weit mehr als nur eine Plattform für meine eigenen Releases.       

Du arbeitest auf deinem Label mit Künstlern wie Sweet n Candy oder Alex Flatner zusammen. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Den Alex habe ich vor Jahren auf einem gemeinsamen Gig in Österreich kennen gelernt. Seitdem ist er ein guter Freund von mir, der mich bis heute immer sehr unterstützt hat. Ich habe ihn damals gefragt, ob er für die DCR001 einen Remix beisteuern möchte. Die Platte war sehr erfolgreich und so hat er dann mit Hermanez zusammen Ende letzten Jahres auch die Exile EP auf Deep Circus gemacht. Sweet n Candy habe ich mal für eine Party ins Lehmann gebucht. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und er hat mir dann paar Wochen später Tracks von sich geschickt. Raus kamen dann u.a. die DCR004, welche bis heute zu den erfolgreichsten Deep Circus Releases gehört.  

Du veröffentlichst die Releases deines Labels auch auf Vinyl. War dir das persönlich wichtig oder ist es heutzutage wieder wichtig auf Vinyl zu veröffentlichen um sich von der Flut an MP3 Tracks absetzen zu können?
Ja und ja! Zum einen ist es einfach was anderes sein Werk gepresst auf Vinyl in der Hand halten zu können, als nur in digitaler Form auf dem Laptop zu haben. Zum anderen ist Vinyl auf alle Fälle auch eine Visitenkarte. Ein reines Digital-Label kann heute ohne großen Kostenaufwand jeder gründen. Dadurch gibt es leider viel Schrott auf dem Markt, der sich dazu auch noch hartnäckig hält. Labels die im Vinyl-Bereich schlecht arbeiten, sind normalerweise nach ein paar Fehlschlägen weg vom Fenster, weil eine Pressung eben Geld kostet. Allerdings muss man den Vinyl- und den Digital-Markt absolut getrennt voneinander betrachten. Labels oder auch einzelne Releases verkaufen sich oft sehr gut digital, dafür aber mäßig bis schlecht auf Vinyl und umgekehrt. Und es gibt natürlich auch reine Digital-Labels die hervorragende Arbeit und Musik machen. Bye the way, für mich und Deep Circus war es auf alle Fälle die richtige Entscheidung auch Vinyl zu machen.

Was hast du in Zukunft mit deinem Label geplant? Auf welche Artists und Releases können wir uns freuen? Oder planst du vielleicht sogar ein Album?
Es wird weiterhin alle 6-8 Wochen ein neues Release erscheinen. Jetzt im Februar kommt die DCR011 von Lilith in die Plattenläden. Oliver Klein und Sweet n Candy steuerten hierzu zwei super Remixe bei. Danach kommt eine E.P. von Aldo Cadiz und Oscar Barila, mit einem Alex Costa Remix, sowie einem Remix von Pierre Deutschmann und Raphael Dincsoy. Und die 13er wird dann die erste gemeinsame VÖ von Dr. Gomez und mir sein, u.a. mit einem Petar Dundov Remix. Dann möchte ich auf alle Fälle dieses Jahr wieder vermehrt Labelnights machen. Letztes Jahr waren wir u.a. im La Terrazza Barcelona, mal schauen, was dieses Jahr noch so möglich ist. Ein Album ist momentan keines in Planung. Mal schauen, evtl. 2014… 

Mal Hand aufs Herz. Ist Berlin und die Club- beziehungsweise Musikszene wirklich so faszinierend oder ist die Schattenseite der Medaille nicht doch um einiges größer als die Meisten wahrhaben wollen?
Also Fakt ist erst einmal, dass Berlin mit seiner Fülle an elektronischen Clubs, Parties, Labels und Künstlern in der Welt einzigartig ist. Clubkonzepte wie Berghain, Kater Holzig oder Wilde Renate findet man in dieser Form nur in Berlin und sind auch nur hier umsetzbar. Dazu kommen dann noch Mengen an teils illegalen Parties in Off- oder Open Air-Locations. Man kann in Berlin zu jeder Zeit, an sieben Tagen in der Woche tanzen gehen und das an den ausgefallensten Orten mit den abgedrehtesten Leuten aus der ganzen Welt. Das ist schon faszinierend! Wenn man sein Leben beruflich und privat im Griff hat, kann man diese Faszination in vollen Zügen auskosten und genießen. Eine Schattenseite gibt’s dann nicht wirklich.

Schon mal Probleme als Schwabe in Berlin gehabt?
Nein. Das Thema braucht auch kein Mensch!

Mit dem Blauen Turm in Tübingen wurde nicht nur ein Traditionsclub geschlossen sondern auch deine letzte Residency im Schwabenländle. Wirst du trotzdem noch öfters für ein paar Gigs in den Süden schauen? Vielleicht auch mit deinem Buddy Dr. Gomez? Immerhin habt ihr hier unten als LosPornos definitiv in gewisser Art und Weise Geschichte geschrieben.
Ja klar, Los Pornos wird es natürlich weiterhin geben. Wir haben immer eine Menge Spaß, wenn wir zusammen spielen und darauf wollen wir auch in Zukunft nicht verzichten. Wir hoffen natürlich darauf, dass sich in Tübingen bald wieder was auftut, momentan fehlt es einfach an Alternativen. Aber das wird sich mit Sicherheit bald wieder ändern. Am 16.2. spielen wir im Zollamt, dass ist dann seit längerer Zeit mal wieder ein Gig in Stuttgart. Ich denke aber, dass wir 2013 wieder öfters in Stuttgart zu hören sein werden.

Stichwort Day&Night. Was verbindest du mit dem Festival? Immerhin steht im Sommer bereits die 10. Auflage an und im März bist du mit Dr. Gomez bei der Frühlingsedition im Rottweiler Kraftwerk dabei.
Wir sind ja schon seit der allerersten Auflage mit dabei und freuen uns natürlich auch dieses Jahr wieder mit am Start zu sein. Der Micha hat da schon eine tolle Sache auf die Beine gestellt, die von Jahr zu Jahr gewachsen ist. Ein Festival in der Heimat ist für mich alleine schon deshalb eine tolle Sache, weil man dort unheimlich viele Leute kennt, mit denen man dann zusammen eine gute Zeit erleben kann. Das habe ich die letzten Jahre immer sehr genossen und hoffe natürlich, dass die „big family“ auch die Ausgabe in Rottweil wieder rocken wird. Wir sind auf alle Fälle bereit.

Was steht bei dir sonst noch in Zukunft an? Irgendwelche Pläne die du uns schon jetzt verraten kannst?
Also wie schon erwähnt kommt im April/Mai das gemeinsame Release mit David auf Deep Circus raus. Dann steht eine neue Single von mir in den Startlöchern, auf welchem Label wird aber noch nicht verraten. Im Studio arbeite ich derzeit u.a. an einem Track mit dem Sänger Dennis Birchett, an einem gemeinsamen Projekt mit Patrick Kunkel und an einem Remix für Alex Costa, der auf dem israelischen Label Rusted Records erscheinen wird. 

Abschließend gefragt, wie war 2012 für dich? Und was erhoffst du dir von 2013?
2012 bleibt für mich natürlich als das Turm-Closing-Jahr in Erinnerung. Für mich endete hier ein wichtiger Lebensabschnitt, der mich sehr geprägt hat und mit dem ich viele tolle Momente und Menschen verbinde. Produktionstechnisch habe ich 2012 viele Remixe gemacht, aber nur eine Single. Das soll und wird sich 2013 auf alle Fälle ändern. Das Jahr bringt ein paar Veränderungen und Herausforderungen mit sich, auf die ich mich aber sehr freue. Es geht was und vor allem immer weiter und das ist gut so! 2013 wird cool, da bin ich mir sicher J

Letzte Grüße, Statements oder Ankündigungen?
Am 11.2. erscheint die Deep Circus 011 von Lilith – Engine Repair E.P.
Am 16.2. spielen Benny Grauer & Dr. Gomez im Zollamt Stuttgart

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Christian Schmidt