Interview: Robosonic

robosonic off recordings party freiburg

Robosonic, das sind die DJs und Produzenten Cord Henning Labuhn und Sacha Robotti aus Berlin. Natürlich, Berlin! Seit vielen Jahren schon sind die beiden im elektronischen Musikzirkus aktiv. Aber erst seit im Sommer 2012 ihr Track „Worst Love“ (welcher auf Off Recordings erschien und mit Remixes von Dr. Dru und Fritz Zander veredelt wurde) durch die Decke ging, drehen sie am ganz großen Rad. Eben dieser Tune, dicht gefolgt von „The Edge“ zeichnet sich auch (mit)verantwortlich für die nachfolgende Welle an housigen HipHop Edits, die dem Label Off Recordings zu ungeahnten Erfolgen verhalfen.
Ihren Sound beschreiben die Jungs übrigens als „bassy music with a 4/4 heartbeat, hi-tech soul”.

Wie und wo habt ihr zueinander Gefunden? Könnt ihr euch noch an euer erstes Aufeinandertreffen erinnern?
Sacha: Ein guter gemeinsamer Freund hat uns an einen Tisch gesetzt und uns sozusagen verkuppelt… 2004 muss das gewesen sein.
Cord: Ziemlich kurz darauf haben wir angefangen, gemeinsam Musik zu produzieren, die wir dann auch in den ersten Jahren selbst auf Vinyl herausgebracht haben…

Die „Worst Love EP“ ist wohl hauptverantwortlich für euren internationalen Erfolg. Hat es euch überrascht, dass dieser so rasch und beinahe sprunghaft eingetreten ist?
Sacha: Überrascht hat es mich nicht so sehr, wie es mich gefreut hat! „Erfolg“ ist ja auch immer eine Definitionssache, vor allem wenn man selbstständig seiner Berufung nachgeht. Seit unseren musikalischen Anfängen haben wir viel erlebt, viele Facetten des Biz mitbekommen und sehr viel Arbeit und Herzblut in unsere Musik gesteckt – da wir schon etwas länger dabei sind, durften wir bei anderen Künstlern aus unserem unmittelbaren Umfeld miterleben, wie schnell und manchmal quasi über Nacht ein Durchbruch nach „nur“ einem „Hit“ eintreten kann. Wir kennen aber auch viele andere, die schon jahrelang auflegen oder produzieren und beruflich nicht dort sind, wo sie gerne sein wollen. Trotz Pleiten, Pech und Pannen haben wir immer weiter dran geglaubt, dass wir das Zeug dazu haben und versucht, positiv zu bleiben. Wir waren fleißig und haben nicht aufgegeben... was vielleicht teilweise etwas selbst-destruktiv war. Sehr wichtig war uns immer der Support unserer Freunde und Family, sowie das Feedback unserer Fans. Vielen Dank, wir lieben Euch alle und hätten ohne Euch wohl jetzt einen anderen Beruf!

Mit euren Produktionen und der Verwendung von HipHop Edits, Loops und Samples habt ihr ja eine ordentliche Welle gemacht. Fühlt ihr euch nun mitverantwortlich für diesen Off-Recordings-Label-Trend? Und gibt es in eurer Geschichte selbst irgendeine Affinität zu HipHop oder diesen bestimmten Tracks.
Sacha: Der Erfolg von „Worst Love“ und „The Edge“ hat sicherlich dazu beigetragen, dass mittlerweile fast jede EP von Off Recordings bei Beatport chartet, was für alle Beteiligten positive Effekte hat. Bei Exploited ist diese Entwicklung sehr ähnlich. Wir sind aber sicherlich nicht die ersten und einzigen, die gerne mit Samples arbeiten - Sampling ist seitdem HipHop und House existieren ein Teil dieser musikalischen Kulturen (also schon seit 20-30 Jahren). Da ich ein 80er Baujahr bin und einen großen Teil meiner jugendlichen Musiksozialisation in den 90ern in Brüssel erfahren habe, ist auch die Affinität zum „Golden Age“ des HipHop (US und Französisch-Sprachiges) da... die Produzenten der Zeit haben gerne und viel von Soul, R’n’B und Funk Scheiben gesampelt. Auch hatte ich das Glück, zu der Zeit House und French House (z.B. die Anfänge von Daft Punk) mitzubekommen – Musik, die ebenfalls von Soul, Funk, R’n‘B inspiriert ist. 
Cord: Wir zitieren halt gerne. Entweder weil es irgendeinen Schnipsel gibt, der einfach gut klingt oder weil es Sounds sind, mit denen man eine Erinnerung verbindet oder sie einfach fühlt. Dann macht es einfach besonders Sinn das in seiner eigenen Musik neu zu verarbeiten. „Worst Love“ zum Beispiel setzt zwei große Referenzen, die den Leuten offensichtlich ins Herz stechen. Eine unfassbar gute, zeitlose 70s Soul-Nummer von William Bell. Und in Kombination mit dem Mobb Deep-Vocal natürlich Dilated Peoples, eine super HipHop Band aus Kalifornien. Die haben aus dem gleichen Material vor mehr als zehn Jahren einen Underground-Hit geschmiedet („Worst Comes To Worst“). Ein zeitloser Klassiker, den ich auch in meiner Plattensammlung habe. Ich bin über diese Musik und die ganze HipHop-Kultur zum Auflegen und Produzieren gekommen. Meine erste Veröffentlichung auf Vinyl vor zehn Jahren waren Beats und Scratch Tools. Bei „The Edge“ war meine persönliche Inspiration auch noch eher eine frühere „Missin’ Linx“-Maxi als die große Dr. Dre-Produktion, aus demselben Material von David McCullum. Da war es dann auch fast schon ein bisschen Provokation mit „Over The Edge“ eine Platte zu machen, die extra viele von solchen Verweisen hat. Wir hatten kurz das Gefühl damit wäre alles gesagt, aber es sind einfach noch mehr Nummern entstanden, die das ganze Spiel auf die Spitze treiben und durch kleine Scratches auch noch mehr von diesem dynamischen Turntable-DJ-feeling haben. „Got Game“ (Kollaboration mit Mat.Joe für OFF Recordings) ist für mich ein bisschen eine J.Dilla Hommage (R.I.P.), obwohl das Sample durch zwei weltbekannte Westcoast-Prolos etwas erfolgreicher in Szene gesetzt wurde. Bei „Good Old Feel“ haben wir New Yorker Rap-Legende Masta Ace als Gast auf einem Track, der stark inspiriert ist von einem seiner großen Hits. Große Ehre.

Jetzt warten natürlich hungrige Fans und neugierige Clubber auf ein neues Album. Wie bald darf man dies erwarten und wie schwer lastet der Druck auf euch der Erwartung stand zu halten?
Sacha: Gute Frage! Der Druck ist auf jeden Fall da. In erster Linie machen wir uns den Druck aber selber – weil wir etwas Qualitatives und Spezielles abliefern wollen, das wir auch noch in zehn Jahren gut finden wollen... unser erstes Album „Sturm und Drang“ finde ich immer noch super und bin stolz darauf! Gerade in einer Zeit wo „einfach nur“ zehn Clubtracks als Album zusammengeballert verkauft werden um DJ-Auftritte anzukurbeln, möchten wir nicht auch noch Musik in die Welt setzen, die nur aus marktstrategischen Gründen entsteht.
Dass ein zweites Album immer mit einem ersten Album verglichen wird, beunruhigt mich nicht wirklich, da unser erstes Album schon so lange her ist und wir uns sowohl menschlich als auch musikalisch weiterentwickelt haben. Wir freuen uns aber natürlich, wenn unsere Fans auch von unserem zweiten Werk berührt werden. 2007 ist „Sturm und Drang“ in Eigenregie herausgekommen, unter ganz anderen Vorzeichen als jetzt. Wer weiß, vielleicht schaffen wir’s ja 2014 mit dem Nachwuchs!
Cord: Ich will das seit Jahren schon machen, aber für so einen Meilenstein – also in unserer eigenen Entwicklung – brauchten wir zuerst die existenzielle Grundlage: Also wirklich professionell in diesem Musikzirkus stehen, Studios in denen das meiste funktioniert, eine kritische Masse erreichen, das war ein langer Weg mit viel Arbeit und teilweise auch Enthaltung. Stilistisch. Wir sind jetzt wohl am ehesten bekannt für einen bestimmten House-Sound, spielen international Gigs. Wir können hoffen, dass die Leute open-minded sind, sich einfach darauf einlassen und sich die Sachen von uns rauspicken, die sie berühren.
Aber ich bin da jetzt auch eher leichtfüßig wenn ich schreibe und freue mich wie ein Schneekönig auch einfach mal wieder Beats zu machen so wie früher. Wir suchen jetzt unsere Balance im Studio und die richtigen Momente, um die Mucke als Veröffentlichung zu teilen. Bei unseren Gigs spielen wir schon Sachen, die auf dem Album passieren werden... so oder so ähnlich. Also alle immer zu den Auftritten kommen und hören, dann können wir beobachten, was da passiert bei euch...ob sich da was bewegt...

Die Cover eurer Veröffentlichungen erinnern immer ein wenig an Umschläge von Büchern, so wie euer Sturm und Drang Cover im Reclam Design um die Ecke kam. Seid ihr selbst Literatur-Liebhaber oder ging es eher um den Reiz etwas Altbekanntes neu zu interpretieren.
Cord: Um Literatur ging es eigentlich gar nicht, mehr um Symbole. Vielleicht darum seine Sprache zu finden. Robosonic musste da in der Spaßgesellschaft mal ernsthaft formatiert werden. Das war eher ironisch, teilweise zynisch, aber mit einem Blick zurück passt es irgendwie. Das war so eine Phase. Ein bisschen psychedelische Poesie steckt natürlich in den Klappentexten und dem Booklet „Interpretationen zu Sturm und Drang“.
Sacha: Diese Platten-Cover (Album auf CD, sowie „Die Verwandlung“, „Yasmin“, „Kaputt in Hollywood“ Vinyl) erschienen damals auf unserem eigenen Label Diskomafia, das wir ca. 2010 auf Eis legten. Wir haben zusammen schon immer eine Affinität zum „Bootlegging“ oder „Mashup“ gehabt und das sowohl musikalisch als auch grafisch auf die Spitze getrieben... selbst der Anwalt vom Reclam-Verlag hat unsere Beweggründe verstanden, als wir sie ihm per Mail erklären mussten.

Ihr beide kennt euch schon sehr lange und macht gemeinsam Musik. Doch seid ihr bestimmt ziemlich unterschiedlich. Wo ist der Konsens? Wo die Unterschiede?
Cord: Oha, ich habe die erste Antwort zugeschoben gekriegt. Laura Weider würde uns mit ihrer astrologischen Ader wahrscheinlich als zwei oberflächlich recht ähnliche Planeten beschreiben, die sich je nach Lebensmoment in etwas anderer Geschwindigkeit um sich selbst drehen. Der eine ist etwas größer, deshalb können sie aneinander vorbeifliegen, während sie sich spiralförmig immer mehr der Sonne annähern... bis halt irgendwann alles brennt. Ich würde sagen Konsens ist, dass es Sinn ergibt auf dem Weg dahin Musik zu machen und zu performen, so viel es geht, und so erfüllt wie möglich, weil wir beide da unseren Frieden und gleichzeitig unsere Wertschöpfung sehen... Der Konsens ist auch, dass wir gerne Reisen und seit Jahren schon, aber besonders jetzt gerade erleben, was da mit unserer Musik gerade möglich ist. Am meisten Reibung gibt es wohl bei der Organisation des Ganzen. Da schießen wir halt mal phasenweise in unterschiedliche Richtungen. Wir haben auch sehr unterschiedliche Wege kreative Einfälle zu etwas Greifbarem zu verwandeln. Und auch unterschiedliche Ansätze uns selbst zu vermarkten. Wir haben es jetzt etwa sieben Jahre geschafft uns nicht gegenseitig aus der Umlaufbahn zu kegeln, sondern im Kern zueinander zu stehen. Das alles macht uns nicht unbedingt lustiger, aber immerhin brauchte unsere brüderliche Liebe bislang noch keinen Band-Psychologen wie Metallica!
Sacha: Ja, Kommunikation ist alles! Die Balance zu halten ist wichtig, Egos beiseite zu legen trägt auch zur Harmonie bei, vor allem, weil wir beide doch recht willensstarke Gesellen sind, die viel Freiraum brauchen. Wir haben beide stellenweise einen sehr ähnlichen, dann aber wieder diametral unterschiedlichen Werdegang und familiären Hintergrund. Ich bin vom Wesen her manchmal etwas unvorhersehbar und nomadenhaft veranlagt, Cord hat es manchmal gern etwas organisierter. Uns verbindet, dass wir sehr schwierige Lebenssituationen (zusammen und alleine) gemeistert haben, mit der Unterstützung des anderen. Wir können außerdem sehr laut über Helge Schneider lachen und mögen Knoblauch. Passt!

Wie sieht die ideale Partynacht für euch aus? Ein Abend an dem ihr glücklich zurückkehrt ins Hotel.
Sacha: Abgesehen davon, dass auch der Abend vor einem Gig sehr viel (oder wenig) zu meinem Wohlbefinden beitragen kann, bin ich letztendlich vor allem dann am glücklichsten, wenn ich finde, dass ich gut gespielt habe. Beim Auftritt hilft es, dass ich mich wohlfühle mit der Bühnensituation, dem Licht, der Technik, der Anlage – das erleichtert das Auflegen ungemein und spornt an, mehr Risiken einzugehen. Wenn die emotionale Verbindung zur Crowd stimmt, ist das eine Motivation - dann wird es auch einfacher für mich, meinen Flow zu finden, diesen tranceartigen Zustand, in dem ich völlig ins Auflegen vertieft bin und es als Rausch empfinde. Wenn Cord gleichzeitig auch flowt und wir unsere Flows synchronisieren, sind wir unschlagbar. Wenn wir’s dann auch noch schaffen, dass die Tanzenden nach der Party mit einem guten Gefühl schlafen gehen, und sich vielleicht sogar mindestens zwei auf dem Dancefloor zu unserem Soundtrack gefunden haben, ist mein Job erfüllt und ich kann getrost und happy weiterziehen – zum Flughafen, Bahnhof, Afterparty, Strand, Frühstück oder in die Hotel-Sauna…
Cord: Mir kommen gerade zwei Varianten in den Sinn. Die eine ist die, wenn man am nächsten Tag den nächsten Gig vor sich hat: dann freue ich mich über eine super Crowd mit der die Verbindung steht, gute Anlage, interessante Orte und Charaktere um einen herum, vielleicht ein paar schräge Gestalten an die man sich später erinnert, noch andere Künstler, die man gut findet oder auch schon besser kennt vom Studio oder anderen Gigs...
Die andere Variante sieht eigentlich genauso aus, nur dass man sich dann vielleicht noch mehr reinreißen lässt, weil man vielleicht nicht schon ein paar Stunden später am Flughafen oder so sein muss, wo man sich dann zwischen Security Checks und Grenzbeamten so fühlt wie Wackelpudding im Schaufenster.

Wo trifft man euch außerhalb von Clubs und Studios. Wo verbringt ihr eure Freizeit am liebsten?
Sacha: Am liebsten am Strand, in der Sonne, im Wasser, am liebsten beim Sport oder bei einem leckeren Happen, am liebsten von der Muse geküsst.
Cord: Ja, Sonnendeck ist ein gutes Stichwort. In der Natur, wenn genug Zeit ist. Zu selten auf dem Basketball-Platz und immer wieder gerne in einem meiner Betten!

Abschließende Grüße, Ankündigungen oder Statements?
Robosonic: Spread love. Gebt doch noch heute allen Euren Freunden, Verwandten und Lieblingstieren unsere Musik. Zumindest das eine Stück, das ihr fühlt. Guckt in die Vergangenheit, guckt in die Zukunft. Wir sind da irgendwo zu Gange. Bis gleich!

www.robosonic.cc

Robosonic performen am 9. November im Schmitz Katze Freiburg.

 

OFF Recordings Podcast Episode #75, mixed by Robosonic by Off Recordings on Mixcloud

 
Deniz Binay