Club- vs. Festival-Booking: Vom Nischenspot zum Festivalslot - Ein Interview mit Alexander Hässler
Alex „Käptn‘“ Hässler: Kulturschaffender, Veranstalter, Booker und DJ aus Freiburg. Als Initiator und Programmverantwortlicher von u.a. Ahoii Club/Festival, Between The Beats (bis 2017) und Freiburgs Beschde, turnt der Käptn‘ mit dem Faible für live Entertainment bereits seit einigen Jahren auf den Planken zwischen Indie- und (elektronischem) Club-Sound.
Nach dem Engagement bei der Teninger Konzert- & Eventagentur KAROevents, verjüngt der Booker seit September 2017 das Profil von Vaddi Concerts um Geschäftsführer Marc Oßwald und ist somit auch zuständig für den musikalischen Kurs vom Zelt-Musik-Festival.
Wie gehst du vor auf der Suche nach dem Next-Level-Shit? Filterst du eingehende Angebote? Studierst du Blogs und Musikpresse, hörst Bandcamp bis zum Ende und treibst dich rein beruflich auf dem Reeperbahn Festival rum?
So in etwa beschreibt es das ziemlich genau. Es ist ein Mix aus allem. Einerseits flattern täglich Angebote für zahlreiche tolle Bands rein, andererseits versuche ich regelmäßig Bands und Künstler für Freiburg zu gewinnen, die unser schönes Städtchen erstmal nicht so selbstverständlich auf ihrem Tourplan stehen haben.
Natürlich gehört es dazu regelmäßig Radiosender wie fluxfm, fm4 oder Deutschlandfunk Nova sowie Blogs, Spotify und die gängige Musikpresse und sozialen Medien zu durchforsten.
Aber vieles passiert tatsächlich immer noch live, indem ich etwa nach Hamburg aufs Reeperbahnfestival oder nach Brighton zum Great Escape Festival fahre, um viele Bands erstmals live zu sehen und zu erleben. Der Live-Eindruck ist und bleibt schlussendlich unersetzlich und beschert wunderbare Momente - wie zum Beispiel im vergangenen März, mit Monumental Men, bei der BScene in Basel.
Wie sattelst du ein Konzert auf? Was steht oben auf der Agenda - der freie Termin einer Veranstaltungsstätte, oder das Engagement eines Acts?
Generell geht es erstmal um den Act. Wenn klar ist, in welchem Zeitraum ein/e KünstlerIn/Band verfügbar ist, versuche ich nach Möglichkeit eine passende Venue (abhängig von Kapazität, Freitermin und Ferienzeit) zu finden. Dann muss in der Regel nur noch ein Deal vereinbart werden und der Gig kann in den Vorverkauf gehen. Manchmal muss man aber auch erfinderisch werden und sich Alternativen überlegen. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel die dritte Terminverschiebung einer Band reinkommt oder man mit der in Freiburg leider doch begrenzten Verfügbarkeit an Konzerträumlichkeiten kämpfen muss.
Stets getrieben von musikalischen Innovationen ist ein ausgeprägtes Gespür für mögliches Publikumsinteresse von Nöten. Wie entscheidest du als Booker bei noch eher unbekannten Acts, ob diese im Räng Teng, Jazzhaus, ZMF Zirkuszelt oder der Sick-Arena am besten performen würden?
Man bekommt ja heute recht schnell mit, welche Musikerinnen und Musiker unabhängig von Genre viral, in der Presse oder im Radio durch die Decke gehen. Somit kann man recht sicher in die Arena steigen. Oder, ob es eine schöne Indie-Clubnummer ist und man deswegen genau das Räng oder Swamp wählt. Ab und an plant man doppelt, indem man den ersten Termin in einer kleineren Location ansetzt, um dann hochverlegen zu können. Also abhängig von der Nachfrage in eine größere Veranstaltungsstätte umzuziehen.
Zudem hilft einem ein wenig die Erfahrung, ob und wie ein Actor in Freiburg funktionieren kann. Zugegebenermaßen ist das manchmal wie Lotto spielen. Mal klappt's, mal kommt so gut wie niemand - leider.
Beim Zelt-Musik-Festival funktioniert das alles nochmal etwas anders. Das liegt daran, dass das ZMF als das renommiertestes Festival der Region mit internationalem Stellenwert und einer großen, überregionalen Strahlkraft viel mehr Spielraum bietet, um KünstlerInnen und Bands zu präsentieren, die man sonst eher nicht in vergleichbarer Größe in Freiburg veranstalten würde. Beim ZMF aber begeistern diese dann das Publikum und füllen auch das Zirkuszelt.
Klar, kann man jetzt nicht in einem Satz, und schon gar nicht pauschal beantworten – trotzdem nachgefragt: Was sind die signifikantesten Unterschiede zwischen einem Booking für einen Club, zu dem für ein Festival?
Speziell auf Freiburg bezogen ist mein Booking für Clubs darauf ausgerichtet, welche musikalische Sparte ich bedienen möchte. Sprich, Indie passt in der Regel überall rein, HipHop und Mainstream findet man meist dann doch eher im Waldsee oder Jazzhaus wieder. Natürlich mit Ausnahmen.
Bei Festivals kommt es darauf an, welche musikalische Ausrichtung diese haben. Hier bewege ich mich aber oft im Mainstream-Bereich - wobei wir in Rastatt gerade einen schönen Abend mit LaBrassBanda, Moop Mama und Fättes Blech zusammenbauen konnten. Beim ZMF gehört genauso Jazz, Klassik und moderne Weltmusik dazu.
Und natürlich Alt-J & Honne am 10. August auf der Messe in Freiburg, bei dem meine eigenen musikalischen Präferenzen durchscheinen.
Eine ganze Latte an Bands werden wir in Freiburg wahrscheinlich niemals live erleben dürfen, weil es schlichtweg an einer, nennen wir es mal, mittelgroßen Austragungsstätte mangelt. Dürften wir anregen, dass Vaddi Concerts die alte Stadthalle in Freiburg übernimmt? Oder hast du eine andere Idee?
Ach, die alte Stadthalle in Freiburg. Da habe ich mit 13 mein erstes Konzert erlebt. Zugegeben, es wäre schön, diese Halle wieder zur Verfügung zu haben. Denn richtig, genau eine solche Halle mittlerer Größe fehlt in Freiburg. Und der Clubvariante der Sick-Arena mangelt es halt manchmal leider doch ein wenig an Charme. Allerdings muss ich die Kollegen der FWTM direkt in Schutz nehmen. Die sind super und versuchen so ziemlich alles, um unsere Bedürfnisse bei den jeweiligen Konzerten bestmöglich zu erfüllen. Dennoch wird es leider nie so schnieke sein wie etwa das Docks in Hamburg, das Wizemann in Stuttgart oder das Lido in Berlin.
Zu den Plänen der Stadt bezüglich der Stadthalle kann ich leider nicht viel sagen. Außer dass es toll wäre, diese wieder für Konzerte und Veranstaltungen nutzbar zu machen. Zumal die Infrastruktur mit dem ZO-Parkhaus, dem direkten Tram- Anschluss und Platz für jede Menge Fahrräder nahezu optimal erscheint, um einen Umbau zurück zur Konzerthalle in Angriff zu nehmen.
Einen Hallenneubau sehe ich in naher Zukunft nicht. Grund sind Kosten und notwendige Finanzierung, Standortfragen und unbekannte politische Meinung in der Stadt.
Mein Geheimtipp ist ohnehin die Atelierhalle des Freiburger E-Werks. Nachdem die alte Lokhalle nun anderweitig für tolle Projekte genutzt wird, glaube ich nicht der einzige zu sein, der Matthias Adam vom E-Werk in den Ohren liegt, dass die Atelierhalle des E-Werks doch die abgefahrenste Konzertvenue überhaupt wäre... Aber das wird wohl auch ein Traum bleiben und selbstredend wollen wir keiner/keinem der KünstlerInnen ihren Platz rauben.
Wie ist deine Meinung zu dem musikalischen Live-Entertainment Angebot in Freiburg? Völlig in Ordnung, oder ordentlich Luft nach oben?
Gemessen an der Größe der Stadt, liegt Freiburg meiner Meinung nach richtig weit vorne. Zumindest, was das Livethema angeht. Egal ob Vaddi Concerts, Jazzhaus, Slow Club, Räng, Hase, Swamp, Studentenwerk oder die zahlreichen freien VeranstalterkollegInnen. Verglichen mit Stuttgart, Karlsruhe oder Konstanz finde ich, ist Freiburg sogar führend, was Clubkonzerte und die verschiedenen Veranstalter/Kollektive in Summe betrifft. In Stuttgart ist viel weniger los!
Freiburg hat dafür das Problem des massiven Clubsterbens. Uns bricht das gängige Nachtleben Stück für Stück weg und das bereitet mir immer mehr Sorgen. Zumal wir, Moritz und ich, mit dem Ahoii Club ja selbst über ein Jahr davon betroffen waren und durch mehrere Locations gewandert sind, bevor wir in der Passage 46 unsere neue Heimat gefunden haben. Von Katze und Kamikaze will ich jetzt gar nicht mehr anfangen, aber vorhin erst habe ich vom Ende des Schneerots gelesen. Und das Kagan wurde auch gerade erst geschlossen. Beides zwar nicht meine Läden - aber hey - es läuft was falsch in dieser Stadt.
Ich bin im Jahr 2000 nach Freiburg gezogen und damals gab es wenige, aber immerhin noch mehr Clubs als heute.
Ob dies immer an der Stadt und ihren Vorgaben oder am veränderten Ausgehverhalten der Studenten liegt, bezweifle ich allerdings. Manchmal müssen sich meiner Meinung nach die Clubbetreiber an die eigene Nase fassen und nach fünf Jahren mal das Konzept überarbeiten und anpassen. Das passiert finde ich leider viel zu selten. Eher wird wieder auf die Studenten geschimpft, die man mitunter zwar nicht haben will, aber schlussendlich auf sie angewiesen ist.
Zudem sollte noch viel mehr auf lokale Kräfte/Kollektive gesetzt werden, die immer wieder neue Ideen liefern und die Läden mitunter erneuern und am Leben erhalten. Faire Konditionen mal vorausgesetzt. Durch einen passenden Mix aus eigenen Ideen und der Zusammenarbeit mit Kollektiven/kreativen PartnerInnen von außen, kann sich ein Club auch dann noch am Leben halten, wenn die Zeiten härter geworden sind.
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